Sie müssen eine Rede halten und in Ihnen steigt Panik auf?

Mark Twain wird folgendes Zitat zugeschrieben:

Das Gehirn ist eine wunderbare Sache. Es funktioniert vom Zeitpunkt der Geburt. Bis zu dem Moment an dem Sie aufstehen müssen um eine Rede zu halten.

Panik Rede haltenDas illustriert wunderbar, was manchen Menschen passiert, wenn Sie in die Situation geraten eine Rede zu halten.

Es scheint, als ob jemand den Stecker gezogen hätte.

Die Gedanken rasen, alles was vorbereitet wurde ist weg und Panik steigt auf.

Der Körper ist außer sich

Hier ist guter Rat teuer. Empfehlungen wie „stell dir einfach alle in Unterwäsche vor“ sind da selten hilfreich. Der Kopf ist sowieso schon fast am Platzen, das Herz schlägt einem bis zum Hals, die Kehle ist wie zugeschnürt, da lässt sich nicht mit irgendwelchen Bildern spielen.

Wenn der Körper in Aufruhr ist, braucht es klare Strategien, damit Sie wieder zu etwas Ruhe finden. Das was uns so Durcheinander bringt, kommt nicht von außen, sondern wir produzieren es selbst in unserem Inneren. Wir sind diejenigen, die etwas machen, was uns in Angst und Schrecken versetzt. Niemand von außen macht das. Das schaffen wir alle ganz allein.

Das hört sich jetzt nicht besonders ermutigend an und doch ist es die beste Nachricht die es in dieser Sache gibt. Denn wenn wir die Verursacher sind, können auch wir im Inneren etwas tun, damit es uns besser geht.

Was genau passiert da eigentlich?

Lassen Sie uns Detektiv spielen und genauer hinschauen. Wie ein Forscher der eine interessante Tierart beobachtet, wollen wir uns der Nervosität nähern. Die äußeren Fakten: der Zeitpunkt ist gekommen um eine Rede zu halten. Nur noch wenige Minuten bis zu diesem Ereignis. Doch tatsächlich begonnen hat es in Ihrem Inneren bereits viel früher. Manche Menschen können in der Nacht davor kaum noch schlafen oder sogar mehrere Nächte. Wo genau ist der Anfang und was passiert da?

Alles beginnt und endet mit unseren Gedanken. Das mag trivial sein und doch ist es der Schlüssel. Schauen Sie genau hin. Was genau denken Sie, wenn Ihnen das bevorstehende Redeereignis einfällt? Sowas wie

„ohgott ohgott ich muss ja diese Rede halten. Da steh ich dann ganz allein vorne und alle starren mich an. Was ist, wenn mir die Stimme wegbleibt? Wenn ich vergesse, was ich sagen wollte? Ich werd bestimmt ausgelacht. Es werden sich alle über mich lustig machen. Irgendjemand wird mir bestimmt ins Wort fallen. Ich werd zu stottern anfangen und bestimmt knallrot anlaufen…..“

Merken Sie was Ihr Körper währenddessen macht? Er fährt den Puls hoch, die Hände werden schwitzig, die Kehle wird enger, das Atmen wird schwierig, der ganze Körper gerät in Anspannung, der Magen fängt zu rebellieren an und die Knie werden wackelig. Eigentlich ganz erstaunlich, denn das sind alles Anzeichen für eine Reaktion auf drohende körperliche Gefahr. Doch diese ist nicht in Sicht.

Es gibt nur eine mehr oder weniger große Bühne, eine Person die dort dem Publikum zugewandt steht und spricht. Mehr ist da nicht. Kein Löwe, kein rasendes Auto, niemand der uns mit einer Keule angreift.

Die Kraft der Gedanken

All der ganze körperliche Aufwand nur weil wir etwas denken. Ist Ihnen das wirklich und wahrhaftig klar? Wir haben quasi die Zauberkraft unseren Körper in diese Verfassung zu versetzen nur aufgrund unserer Gedanken. Die Macht unserer Gedanken sind es. Nichts und niemand von außen. Sie mögen vielleicht einwenden, dass in Ihrer Redesituation durchaus Angriffe erfolgen können. Doch das sind verbale Angriffe. Verbal. Nicht körperlich. Unser Körper fährt jedoch ein Programm hoch, um sich vor einem körperlichen Angriff zu schützen. Doch das ist nicht nötig.

Wenn Sie verbal von jemandem in einer Redesituation angegriffen werden, dann produziert jemand beim Ausatmen Wörter (sprechen geht nur beim Ausatmen) und das ist quasi verbrauchte Luft, die da an Ihnen vorbei zieht. Niemand kann Sie treffen, wenn Sie sich nicht dafür entscheiden sich treffen zu lassen. Auch hier spielen Ihre Gedanken die Hauptrolle. Nicht Ihr Gegenüber.

Lernen wir denken?

Während des Aufwachsens lernen wir viele Dinge. Vom Laufen bis zum Essen, Schreiben und Rechnen. Doch das Denken lehrt uns niemand. Und doch ist es das, was am meisten Macht in uns ausübt. Wenn wir unsere Gedanken nicht am Zügel haben, dann gehen sie mit uns durch. Wie eine Herde wild gewordener Ponys galoppieren sie in unserem Kopf herum.

Umgekehrt bedeutet das, alles was Sie dafür tun und lernen um Ihre Gedanken zu zügeln, verhilft Ihnen zu innerer Ruhe und Gelassenheit.

Was also tun, wenn Ihnen die Knie schlottern und die Panik aufsteigt?

Im letzten Wort ist bereits ein Teil der Lösung enthalten. Panik steigt auf. Wir sind in diesen von Angst besetzten Situationen nur noch in unserem Kopf. Daher machen Sie jetzt das Gegenteil. Denken Sie in Ihre Füße. Ja, Sie haben richtig gelesen. Denken Sie in Ihre Füße. Spüren Sie Ihre Fußsohlen. Wo ist Ihr großer Zeh? Können Sie den kleinen Zeh spüren? Ihr Fußgewölbe? Ihre Ferse? Spüren Sie wie Ihre Füße zum Prickeln beginnen? Als ob sie aufwachen?

Ihre Füße tragen Sie auf Erden. Sie verbinden uns mit der Erde. Und wenn wir uns gedanklich in unsere Füße begeben, beginnen wir uns zu erden. Dadurch lässt Spannung im Körper nach. Unser Kiefer kann dann nicht mehr so fest zusammengebissen bleiben, er lockert sich. Unsere hochgezogenen Schultern lassen ein wenig los und sacken wieder ein Stückchen nach unten. Der Puls wird langsamer und unser Atem wieder tiefer. Wir sammeln uns.

Was passiert noch?

Ihr Gedankenwirrwarr wird unterbrochen. Sie hören auf, Ihren „Ponys“ hinterher zu jagen und inspizieren sozusagen den Zaun der Weide. Letztlich ist das für uns das Wichtigste. Das gewohnte Muster wird gestoppt. Es mag vielleicht ein paar Minuten später wieder loslaufen, doch dann dauert es schon einen Moment länger, bis es wieder volle Fahrt erreicht.

Wir wissen alle, dass Gewohnheiten meist Selbstläufer sind. Ein Knopf wird gedrückt, ein Programm läuft ab. Man könnte sich natürlich auch ein Mantra zurecht legen. Einen Satz wie „Es wird alles gut“. Doch das hat oft sogar negative Auswirkungen. Wirken kann ein solcher Satz nämlich nur, wenn wir ihn auch glauben. Ansonsten passiert genau das Gegenteil, dass das Scheitern als Bestätigung erlebt wird, dass man dieses öffentliche Reden einfach nicht kann.

Der Schlüssel liegt im Körperdenken

Daher ist es so wichtig, dass wir uns rein auf unseren Körper konzentrieren. Am besten auf die Stelle, die am weitesten vom Kopf entfernt liegt. Wir schauen einfach nach, ob noch alles da ist. Das können wir alles glauben. Wir spüren unsere Fußsohlen und können bestätigen, ja ich spüre sie. Wir sagen ja zu uns, in dem wir dies tun. Was für ein Gegenteil dazu, was weiter oben in unserem Kopf abgeht. Dort sind wir meist dabei uns selbst zu demontieren und alle mögliche Ängste auszumalen. Das ist kein Ja zu uns. Doch genau das brauchen wir, um den Körper wieder dazu zu bringen, sein System wieder vom Alarmzustand herunterzufahren.

Denken Sie stets daran, dass Sie die Ponys in Ihrem Kopf einfangen können. Auch wenn es anfangs unmöglich erscheint, werden Sie erleben, dass es geht. Allein nur dadurch, dass Sie Ihre gedankliche Energie vom Kopf in die Füße lenken, beginnen Sie mit einer Art Selbstberuhigung. Und diese Selbstberuhigung ist Ihr Lasso mit dem Sie die Gedankenponys einfangen können. Je öfter Sie sie anwenden um so schneller wird es funktionieren.

Das bedeutet nun nicht, dass ganz plötzlich vollkommene Gelassenheit in Ihnen einziehen wird, doch Sie werden es schaffen, ein wenig mehr Ruhe in Ihren Körper zu bringen. Alle Systeme etwas zu verlangsamen, so dass Sie wieder ein Stück besser handlungsfähig werden. Verlangen Sie nichts Übermenschliches von sich. Seien Sie geduldig.

Was können Sie also tun?

Üben Sie das „in die Füße denken“ ohne konkreten Anlass. Stellen Sie sich in Ihrem Handy eine Erinnerung auf z.B. 15 Uhr nachmittags und denken Sie dann in Ihre Füße. Wenn möglich, machen Sie dabei Ihre Augen zu. Gehen Sie alle Fragen durch: Spüren Sie Ihre Fußsohlen? Wo ist Ihr großer Zeh? Können Sie den kleinen Zeh spüren? Ihr Fußgewölbe? Ihre Ferse? Spüren Sie wie Ihre Füße zum Prickeln beginnen? Als ob Sie sie aufwecken?

Erleben Sie die Empfindungen dabei. Ohne Wertung und ohne jeglichen Anspruch. Nehmen Sie wahr. Ihr Füße sind Ihre Standfestigkeit. Ihre Sicherheit, die Sie buchstäblich im Leben trägt. Wenn Sie sich einmal täglich daran erinnern lassen, dann werden Sie diese Art der Selbstberuhigung damit immer wieder einüben.

Wenn Ihnen ein Redeanlass bevor steht, nehmen Sie sich davor ein paar Minuten in denen Sie sich zurückziehen können. Wenn nichts anderes möglich ist, dann wählen Sie einfach die Toilette. Denken Sie in diesen Rückzugsminuten in Ihre Füße. Erden Sie sich. Spüren Sie Ihre Füße. Wie sie Sie tragen und welch sicheren Stand sie Ihnen geben.

Und wer Bedenken hat, dass ihm in der richtigen Situation einfällt, sich gedanklich in seine Füße zu begeben, kann sich einen Rat zu Hilfe nehmen, der Angst-Patienten für solche Situationen gegeben wird: Legen Sie sich einen kleinen Stein in einen Schuh. Er soll Ihnen nicht weh tun, Sie sollten ihn einfach spüren. Durch diese „Erinnerung“ sind Sie automatisch sofort bei Ihren Füßen. Und dann können Sie dort bewusst verweilen.

Was, wenn es doch nicht so gelaufen ist, wie ich mir das gewünscht habe?

Das Wichtigste: Seien Sie wohlwollend mit sich! Wer lang schon zu kämpfen hat mit Nervosität, der darf auch eine Weile brauchen, bis sich das ändert. Bleiben Sie bei sich und machen Sie weiter. Niemand kommt als perfekte/r Redner/in auf die Welt. Auch die Besten mussten sich durch Anspannungen und Ängste durcharbeiten. Der Grad mag unterschiedlich sein, doch für alle Menschen ist es eine Aufgabe, die es zu meistern gilt.

Ihre Gedanken-Ponys waren es lange gewöhnt, dass sie einfach galoppierten, wie sie wollten. Und das Einfangen mit dem Lasso will geübt sein. Nichts anderes ist dies. Eine Übung. Ein Lasso, das Sie immer dabei haben. Es gibt noch einiges anderes an Methoden die sich einsetzen lassen. Doch wie mit allem gilt, erst mal eine Sache hinkriegen und dann die nächste.

Sicher ist auf jeden Fall: Die Fähigkeit der Selbstberuhigung wird Ihnen in allen Situationen helfen, in denen Ihnen Nervosität, Panik und Angst Schwierigkeiten bereiten. Also bleiben Sie einfach dran. Üben Sie. Denken Sie in Ihre Füße.

Probieren Sie es doch jetzt gleich aus. Denken Sie in Ihre Füße. Spüren Sie nach, ob noch alles da ist. Wie sich Ihre Füße anfühlen. Wie geht’s es Ihnen damit? Was für eine Erfahrung machen Sie damit gerade? Berichten Sie es es mir, ich bin schon gespannt wie es Ihren Füßen geht :)

4 Gedanken zu “Sie müssen eine Rede halten und in Ihnen steigt Panik auf?

  1. Der Artikel ist wirklich ein sehr guter Einstieg, um die Nervosität einzufangen und die eigene Fähigkeit freizusetzen mit anderen über das zu sprechen, was das Publikum bewegt. Andere zu lehren kann sehr viel Freude machen wenn man erstmal an dem Punkt ist an dem man die Fähigkeit zu sprechen freigesetzt hat.

    Aus meiner rund 5 jährigen Erfahrung mit der Produktion von Radiosendungen kann ich sagen, es hilft sich aufzunehmen (Video/Audio) und zu üben, anhand von Stichworten über ein Thema zu sprechen. Am Ende ist ein ausgeschriebenes Manuskript kontraproduktiv, da dadurch die Angst entsteht nichts sinnvolles mehr sagen zu können, wenn man den vorbereiteten Text verlässt.

    Wenn man sich die eigenen Aufzeichnungen anhört, merkt man, dass man durchaus tiefgründiges von sich geben kann ohne jeden Gedanken vorher geprobt zu haben. Dies gibt einem die Sicherheit auch vor Publikum überzeugen zu können.

    Was die Technik angeht sich auf die Füße zu konzentrieren, gerade wenn man dies zu Hause einübt, empfinde ich es als hilfreich dabei barfuß zu stehen. Dadurch bekommt man ein deutlicheres Gefühl für den Bodenkontakt, durch Schuhe wird dieser Lernprozess gedämpft.

    • Alexandra Graßler meint:

      Hi Timon,
      danke für deine ausführliche Antwort!

      Du hast einen wichtigen Punkt angesprochen, dass das sich „selbst hören“ eine große Rolle spielen kann. Vor allem, da man sich erst an die eigene Stimme gewöhnen muss. Hört sie sich doch aufgenommen gleich ganz anders an, als man sich selbst hört. Doch das wird uns in einem eigenen Artikel beschäftigen.

      Radioerfahrung hört sich da insgesamt sehr spannend an. Dabei gibt’s halt nur die Stimme. Dafür auch kein direktes Publikum. Was hat dir beim Vorbereiten der Stichworte am meisten geholfen? Vielleicht magst du deine Tipps mit uns teilen.

      Herzliche Grüße,
      Alexandra

  2. Was mir am meisten geholfen hat zu lernen, frei zu sprechen, ist meine Gedanken vorher in einer Mindmap zu strukturieren. Eine Mindmap hat gegenüber einem fertig formulierten Text den Vorteil, dass man seine Gedanken hin und herschieben kann. So kommt man zu einer sinntragenden Struktur, die sich auch besser im Kopf verankert.

    Man erkennt dadurch seine eigenen Gedankenstrukturen und bemerkt wo Gedanken keinen Sinn ergeben und umgebaut werden müssen. Eine Fließtext vorzutragen muss nicht viel Sinn ergeben und trotzdem könnte man es. Das wird zum Problem wenn man diese unsortierten „Fließtext-Gedanken“ auf einmal frei vortragen soll. Man gerät ins Stocken und verliert den Faden. Der simple Grund, es gab gar keinen Faden den man abarbeitet. Mit einer Mindmap wird dies vorher deutlich und man gewinnt an Sicherheit mit Stichpunkten arbeiten zu können.

    Ich selbst nutze dafür seit Jahren erfolgreich Freemind, ein kostenloses Werkzeug für alle wichtigen Betriebssysteme. Der Vorteil gegenüber einer Mindmap auf Papier, ist das man die Stichworte jederzeit verschieben und damit experimentieren kann.

  3. Pingback: Keinen Plan wie man eine berufliche Rede vorbereitet? Mit der PZA-Methode klappt das! | Selbstsicher und locker Reden halten

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